Ich bin gut in Lesbos angekommen und habe ein kleines Appartment im Zentrum von Mytilini, der Hauptstadt der Insel, gefunden. Die Griechen sind sehr offen und freundlich und können fast alle Englisch, was mich etwas vom Druck schnellen Griechisch zu lernen erlöst.
Das Wetter ist eher sonnig aber windig und um die 5-15 Grad und überall hängen reifen Orangen, Mandarinen und Zitronen an den Bäumen, die himmlisch schmecken. Auf der Strasse leben viele Hunde und Katzen, welche aber alle supergesund aussehen und freundlich sind, da sie von den Inselbewohnern hier regelmässig mit Resten gefüttert werden und an die Menschen gewohnt sind. Es gibt so viele verschiedene Sachen zu sehen, zu erleben, zu lernen, zu organisieren und zu erfahren, die so erfrischen und manchmal einfach nur frustrierend sein können, dass ich gar nicht weiss, wo ich anfangen soll. Ich versuche euch erst mal einen kleinen Überblick zu geben:
In Lesbos gibt es drei verschiedene Camps, in denen Flüchtlinge leben: „Moria“, „Kara Tepe“ und „Pikpa“. Alle Camps befinden sich etwas ausserhalb von Mytilini und sind mit dem Bus erreichbar. Das Foto zeigt die Aussen- mauer von Moria, dies ist der Kochtopf der meisten Probleme. Da ich als Volunteer hier bin und nicht zu in einer der Organisationen gehöre, die im Camp arbeiten, darf ich nicht hinein und konnte es nur von aussen fotografieren. Es sind momentan mehr als 7000 Flüchtlinge dort untergebracht. Das Camp selber war früher mal ein Gefängnis und hätte eigentlich nur Platz für rund 2000 Personen. Die Duschen sind nur kalt und nicht getrennt. Die dort lebenden Menschen sind aus unterschiedlichen Ländern: Syrien, Afghanistan, Iran, Irak, Kurdistan, Kongo, Kamerun aber auch aus Jamaika. Immer wieder hört man von Unruhen, Schlägereien und Missbräuchen. Diese sind neben dem ganzen Stress, dem Frust und der Unterbeschäftigung, wohl auch auf die Unterbesetzung der Polizei vor Ort zurückzuführen. Leider gibt es sehr viele Gerüchte, die niemand wirklich bestätigen oder widerlegen kann und darum gehe ich jetzt auch nicht mehr weiter darauf ein.
Das Camp Pikpa beherbergt aber nur 100-150 Personen und stellt in diesem traurigen Chaos eine kleine Oase dar. Hier werden Personen die „am verletzlichsten“ sind untergebracht. Meint: Familien, einzelne Frauen, Menschen mit Behinderung und „grossen” psychischen Problemen, Homosexuelle etc. In Pikpa gibt es auch einen Kindergarten mit Flüchtlings- und griechischen Kindern gemischt, eine Boutique und eine Gemeinschaftsküche.
Kara Tepe ist ein aus Containern bestehendes Camp. Dort sind weniger Bewohnern als Moria untergebracht und bietet etwas mehr Platz für Familien und Kinder. Auch dort gibt es eine Boutique, wo die Bewohner Kleider und Schuhe beziehen können. Ich war selber noch nicht dort und darum habe ich auch nicht sehr viele Infos dazu.
Auf der Insel und in den Camps und helfen viele verschiede- ne NGOs mit, die Situation einigermassen erträglich zu machen. Dann gibt es rund um und in Mytilini noch verschie- dene Center wie z. B. das „Mosaik“. In dem die Flüchtlinge zusammen mit Bewohnern von Lesbos Kurse machen können (Englisch, Griechisch, Storytelling...), wo die Rettungswesten zu Taschen Portemonnaie und Haarschmuck verarbeitet werden. Es gibt auch eine Seifen- und Kerzenproduktion. Die Produkte werden dann verkauft und der Erlös kommt dem Center zugute. Weiter gibt es zum Beispiel „One Happy Family“. Dort gibt es diverse Kurse, Kleiderboutique, Garten, GYM, Coiffeur, Bibliothek, Kino usw. Seit neustem gibt es ein Baby-Hamam, „Little Happy Family“ genannt. Dort können die Frauen und Familien aus Moria ihre Babys in fünf kleinen Badekabinen baden, Produkte für die Kinder erhalten und einen Tee trinken. Und dann eben noch „Bashira“. Ein farbiges Haus, mit farbigen Räumen, einer Terrasse, Garten und Unmengen an Orangen, eine Dusche, ein Kinderspielzimmer, eine Empfang, eine kleine Küche, ein Sofazimmer und eine kleine Boutique. Leider ist Bashira, das Frauenhaus für das ich mich eigentlich als Volunteer gemeldet habe, seit ich hier angekommen bin geschlossen wegen Renovation und griechischer Bürokratie, die ich gar nicht erst zu verstehen versuche ;) So ist es mir also bis jetzt noch nicht gelungen eure Spenden in ein Projekt in Bashira einzusetzen, was sich aber hoffentlich bald ändern wird. Und da ich meine Zeit aber nicht abwartend verbringen will, darf ich in Pikpa und im Little Happy Family mithelfen. In Pikpa haben wir bis jetzt Wände gestrichen, Häuser geputzt, Boden verlegt, Kleider sortiert und mit de Bewohnern gekocht und gegessen. Nächste Woche gibt es dort ein Selbstverteidigungstraining für Frauen statt. Im Little Happy Family helfe ich beim Teekochen, Putzen, Informieren über den Ablauf des Badens, beim Shuttlebus, spiele mit den Kindern oder unterhalte mich mit den Besuchern. (Dezember 2017 - April 2018)
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